Wort zur Jahreslosung 2025

Eine rote Basisbibel

Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Vereinsmitglieder,

Das Wort „Wert–Schätzung“ hört der moderne Mensch positiv – aber es wird neoliberal und leistungsorientiert benutzt. Menschen werden angeleitet, sich selbst zu optimieren und sich selbst darzustellen. Sie konsumieren ihr Leben und verhalten sich wie Konsumartikel.
Im Arbeitsleben kommt es zum Burnout und im Alter zur Einsamkeit – beides führt in die Depression. Kirchliche Reformen tappen in diese Fallen, wenn sie eine möglichst attraktive Selbstdarstellung der Kirche oder der Mitwirkenden anstreben. Theologie und Tradition, Schrift und Exegese wirken dann wie verstaubte Überbleibsel vergangener Zeiten, die eine Transformation stören könnten. In die ideenreichen Bemühungen um eine neue Kirche mischen sich angesichts dieser Anstrengung oft Resignation und Aggression.

„Prüft alles und behaltet das Gute“ heißt es im 1.Thess. 5,21. So lautet die Jahreslosung 2025.
Prüfen und das Gute behalten – darum geht es im Leben und Handeln. Ich will von Gutem berichten, von Gedanken, die mir Mut machen:

Byung-Chul Han, Professor für Philosophie und Kulturwissenschaften in Berlin formuliert: „die christliche Religion ist eine Meta – Erzählung, die jeden Winkel des Lebens erfasst und es im Sein verankert. Die Zeit selbst wird narrativ aufgeladen. Der christliche Kalender lässt jeden Tag als sinnhaft erscheinen. In der postnarrativen Zeit wird er zum sinnentleerten Terminkalender und entnarrativiert. Religiöse Festtage sind Glanz – und Höhepunkte einer Erzählung. Ohne Erzählung gibt es kein Fest, keine Festzeit, kein Festlichkeitsgefühl als gesteigertes Seinsgefühl, sondern nur Arbeit und Freizeit, Produktion und Konsum. Feste werden in der postnarrativen Zeit zu Events und Spektakeln kommerzialisiert. Auch Rituale sind narrative Praktiken. Sie sind immer in einen Erzählkontext eingebettet. Als symbolische Techniken der Einhausung verwandeln sie das In–der–Welt–Sein in ein Zu–Hause–Sein.“ [1]
Wir verfügen über einen Schatz an vertrauten Erzählungen und Feiern, die Sinn und Gemeinschaft stiften. Sie haben die Kraft, Krisen zu verstehen und Wege der Lösung zu finden. In den umgebenden Versen der Jahreslosung lese ich „Jagt allezeit dem Guten nach, füreinander und für jedermann.“ (V.15) und „Den Geist löscht nicht aus.“ (V.19)

Hartmut Rosa, Professor für allgemeine und theoretische Soziologie in Jena und Direktor des Max-Weber-Kollegs in Erfurt stellt fest:
„Religion hat die Kraft, sie hat ein Ideenreservoir und ein rituelles Arsenal voller entsprechender Lieder, entsprechender Gesten, entsprechender Räume, entsprechender Traditionen und entsprechender Praktiken, die einen Sinn dafür öffnen, was es heißt, sich anrufen zu lassen, sich transformieren zu lassen, in Resonanz zu stehen.“ [2]

Gestaunt habe ich bei den Olympischen Spielen in Paris. Nachdem Yemisi Ogunleye die Goldmedallie im Kugelstoßen gewonnen hatte, hielt sie im Freudentaumel ein Schild in die Kamera. Alle TV- Zuschauer konnten es sehen: Sie hatte darauf ein Kreuz und ein Herz gemalt und die beiden Symbole mit einem Gleichheitszeichen verbunden, darunter die Worte „You are loved“ mit dem Hinweis auf 1. Joh. 3,16. Offen sprach sie in Interviews über ihren Glauben und dass sie sich von Gott angesprochen fühlt, der ihr Leben verändere. In diesem Vertrauen sei sie an den Start gegangen, habe alle Gedanken und Ängste loslassen können.

„Prüft alles und behaltet das Gute“ heißt es im 1.Thess. 5,21. Es ist ein Weg der Liebe, der Vergangenes und Vertrautes achtet, mit einem hörenden Herz Gegenwärtigem begegnet und Kirchenmitgliedern und anderen vom Glauben erzählt. Im Vertrauen auf Gott öffnet sich unsere Zukunft.

In Verbundenheit dankt Ihnen der Vorstand der VPPN für Ihre Treue und wünscht von Herzen ein gesegnetes und gutes Jahr 2025.

Herbert Jeute

Anmerkungen:
[1] Byung-Chul Han, Krise der Narration, Berlin, Matthes&Seitz- Verlag, 2023, S.10
[2] Hartmut Rosa, Demokratie braucht Religion,München, Kösel-Verlag, 2022, S. 74

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