Neuere Debatten zur Bekennenden Kirche in Schleswig-Holstein

Bild zeigt Bücher von oben. Text: Buchbesprechung. Kirchengeschichte kontrovers.

Rainer Hering/Tim Lorentzen (Hrg): Kirchengeschichte kontrovers. Neuere Debatten zur Bekennenden Kirche in Schleswig-Holstein. Tagungsdokumentation v. Andreas Müller, Husum  2022, 329 S.

Ausgangspunkt der kontroversen Diskussion über die Rolle der BK in Schleswig-Holstein war die umstrittene Studie von Stephan Linck, Neue Anfänge sowie in groben Zügen zumindest teilweise unrichtigen und unsachlichen Veröffentlichungen und Stellungnahmen in Presse, Rundfunk und Fernsehen, wobei vor allem die Rolle von Bischof D.Wilhelm Halfmann im Mittelpunkt stand. Ihr entsprang dann ein von Prof. Dr. Andreas Müller veranstaltetes Kolloquium am Institut für Kirchengeschichte der CAU um die Rolle der BK und Wilhelm Halfmanns, der eine Tagung zum Thema der Bekennenden Kirche in SH in Breklum, initiiert von einem Kreis um Bischof em. Karl Ludwig Kohlwage, folgte.

Auf beiden Tagungen wurde deutlich, dass eine wissenschaftliche Erforschung der BK und des kirchlichen Lebens zur Zeit des NS-Regimes in Schleswig-Holstein weiterer Vertiefung und Quellenstudiums noch schlummernder Archivalien bedarf. Der vorliegende Band soll mit seinen vier Kapiteln zu dieser Diskussion beitragen.

Nach einer Einleitung von Rainer Hering und Tim Lorentzen werden im ersten Kapitel Quellentexte von W. Halfmann sowie die, die zur Entstehung der Kontroverse führten, abgedruckt. Es folgen im zweiten Abschnitt die Beiträge aus dem Kieler Kolloquium um die Texte Halfmanns, insbesondere die Darstellung des Profanhistorikers und Kenners der Materie Klauspeter Reumann (Wilhelm Halfmann und die Bekennende Kirche vor der Judenfrage) sowie Darstellungen u.a.von Karl Ludwig Kohlwage, Hanna Lehmig, Sönke Zankel und Jörgen Sontag.

In dem dritten Kapitel „Schleswig-Holsteinische Karrieren“ stellt Helge-Fabien Hertz seine (inzwischen abgeschlossene) Dissertation über die politische Einstellung der SH-Pastorenschaft vor, während Thomas Martin Schneider sich mit „Hans Asmussen und die Bekennende Kirche“befasst. Es folgen im vierten Abschnitt „Deutsche Gedächtniskulturen“ von Christoph Picker ein Blick auf die Kirche in der Pfalz, von Nora Andrea Schulze eine umfassende Studie über die Demontage es bayerischen Landesbischofs Hans Meiser, der dann ein Aufsatz über die Vermittlung von Geschichte bei Wikipedia von Benjamin Stello folgt.

Den Abschluss bilden sehr persönliche Gedanken von Gerhard Ulrich zur gesamten Thematik.

Der vorliegende lesenswerte Band offenbart die Komplexität und Schwierigkeit einer wissenschaftlich sachgerechten Darstellung der Geschichte von Kirche und BK insbesondere in der Zeit der NS-Diktatur. Geschichte darf bei ihrer Darstellung die konkreten Zeitgeschehnisse, die Reaktionen von Personen auf Aktionen nicht außer Acht lassen, um nicht als moralische Besserwisser mit dem Wissen und der Erkenntnis des post factum dazustehen. Nur in den seltensten Fällen liegen die Dinge so klar, dass eindeutige Urteile über das vergangene Geschehen nach einem klaren Schwarz-Weiß-Kontrast gestattet sind wie u.a. der Historiker Thomas Nipperdey es formuliert: ,,Die Grundfarben der Geschichte sind nicht Schwarz und Weiß, ihr Grundmuster nicht der Kontrast eines Schachbrettes, die Grundfarbe der Geschichte ist grau, in unendlichen Schattierungen“. Sich in diesen Schattierungen zu bewegen und eine objektive Darstellung zu finden, ist auch Aufgabe der Kirchengeschichte zu diesem Thema.

Dr. Hans-Joachim Ramm

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