Mitgliederversammlung – Bericht des Vorstandes

Hamburg, 10. März 2025.

„ Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein der Herr hilft mir, dass ich sicher wohne.“ Losung vom 10. 3. 25; PS 4,9

Die Tageslosung spricht von einem Leben voller Vertrauen.

Niklas Luhmann beendet sein grundlegende Soziologisches Fachbuch zum Thema „Vertrauen“ [1]mit dem Satz: „Vertrauen ist nicht das einzige Fundament der Welt; aber eine sehr komplexe und doch strukturierte Weltvorstellung ist ohne einen eine ziemlich komplexe Gesellschaft und diese ohne Vertrauen nicht zu konstituieren.“ Nun das Wort `Pistis` aus der Stillung des Sturms (Mk 4, 40) kann mit „Glaube“ oder mit „Vertrauen“ übersetzen werden. Ist das nicht unsere Aufgabe als Christ*innen und erst recht als Pastor*innen oder angehendende Pastor*innen? Sind wir nicht Hüter des Vertrauens?

„Habt ihr noch kein Vertrauen“ fragt Jesus alle die im Boot sitzen.

Im Vorstand und aus der Pastor*innenvertretung  hören wir von Verbitterung älterer Pastor*innen und von Überlastung der Jüngeren. Das Vertrauen in uns ist angekratzt und rundherum in Politik, sozialen Zusammenhängen und Zukunftserwartungen ist es schwer verletzt. Ich frage uns: „Sind wir noch eine Gemeinschaft – getragen von gegenseitigem Vertrauen? – oder sind wir Verletzte von Missbrauchserzählungen und von einer Welt in Angst, die die Wahrheit als Wert und Grund verliert. 

Luhmann schreibt im Kapitel 4 – Vertrauen als Reduktion von Komplexität – „Menschen und soziale Einrichtungen, denen man vertraut, werden … zu Symbolkomplexen, die besonders störempfindlich sind und gleichsam jedes Ereignis unter dem Gesichtspunkt der Vertrauensfrage registrieren.“ Ich berichte dies, weil eine Stärkung des Vertrauens die Grundlage unserer Arbeit im Verein bilden muss – ebenso wie in unserer Kirche… und zu Hause … und in der Welt – auch in der Politik – aber das wäre ein zu großes Thema. Es geht dabei nicht nur um unseren Dienst. Das wäre kümmerlich. Es geht nicht nur um unsere Nordkirche. Auch das wäre kümmerlich. Letztendlich geht es um den Grund sozialer Zusammenhänge und jedes einzelnen Lebens – ohne vertrauen zu können und das heißt für mich: glauben zu können, verkümmert Leben wie eine Primel, die kein Wasser bekommt.

Was haben wir als Verein versucht, um Vertrauen aufzubauen? 

Wir wollen als Verein nicht unter uns Silberlocken bleiben. Deshalb suchen wir den Kontakt zu Studierenden und Vikar*innen. Wir haben beschlossen, zukünftig Gemeindepraktika von Studierenden finanziell zu unterstützen und führen Gespräche mit dem Studierendenrat, wie und wo wir für sie, die zukünftigen Pastor*innen, da sein können. Vikar*innen unterstützen wir bei ihren Studienfahrten und auch mit Gesprächen und Begleitung – bis zu Rechtswegen. Ich kann von einer neuen Förderung berichten, die wir mit dem Pfarrerverband der EKD beschlossen haben: Pastor*innen mit 3 oder mehr Kindern erhalten zukünftig eine Hilfe ohne Rückzahlungsverpflichtung in der Ausbildung. 

Außerdem sind wir bereit, in Notlagen zu unterstützen, zu begleiten, zuzuhören – hoffentlich mit einem hörenden Herz – zu beraten und auch zu finanzieren, in der Regel mit Darlehen. Nun kommt sicher die Frage: rechnet sich das? Lohnt sich der Aufwand und auch der Ertrag? – Ich kann diese Frage, vor allem wenn es um die Kosten von Gottesdiensten geht, nicht mehr hören. Wenn wir anfangen uns als Konsumgut zu verstehen, sind wir überflüssig und verloren. 

Wofür sind wir weiter da? Bestimmt für die im Emerit*innenkreise, die sich treffen und wertvolle Erfahrungen bewahren und weitergeben. Es ist gut und wichtig, dass es sie gibt. Ich lasse mich gerne verbessern, aber zur Zeit höre ich nur von dem Emeritiertenkreis in Hamburg. 

Aber unsere dringende Aufgabe ist, gerade für die Jüngeren das Vertrauen in die Zukunft ihres Dienstes in der Kirche zu stärken und das in jeder Hinsicht. Deshalb haben wir im letzten Jahr, als wir zu dem Treffen der Pastor*innenvereine der Nordhälfte Deutschlands, der sogenannten Nordschiene, einluden, folgende Themen behandelt: die Forum – Studie mit unserer Bischöfin Fehrs, die gerade EKD Ratsvorsitzende geworden war, und als Hauptthema mit einer fachkundigen Rechtsanwältin:  Die Unterwanderung von Kirche und Gesellschaft von rechts. Bei der Tagung des Pfarrverbandes haben wir uns im Herbst erfolgreich gegen erste AFD – nahe rechte Verharmlosungen innerhalb des Verbandes gewendet und sie verhindern können. 

Auf uns kommen Themen zu, die vor wenigen Jahren undenkbar waren: die Balance zwischen Dienst und freier Zeit; die Sicherheit der Versorgung; die Infragestellung der öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse und des Amtsverständnisses; Veränderungen bei Dienstwohnung und Residenzpflicht, der Abschied vom Pfarrhaus und die Neugestaltung des Dienstraumes; Hierarchisierung vs. Selbständigkeit; Überforderung und Entlastung und so weiter. 

Manchmal reichen Gespräche und Begleitungen nicht. Manchmal werden wir jede mögliche Unterstützung brauchen. Deshalb haben wir erneut den Kontakt zum Beamtenbund aufgenommen – mit dem Ziel einer eventuellen Mitgliedschaft. 

Es gibt viele Themen, denen wir gerecht werden wollen. Unsere Homepage wird professionell überarbeitet. Eigentlich ist sie schon fertig. Das Problem bleibt, genau wie früher beim Forum, dem Mitteilungsblatt unseres Vereines, wie füllen wir nun die Homepage und zwar so, dass sie auch für jüngere Pastor*innen interessant ist. Wie kann das gelingen, wenn kaum noch ein Mensch Zeit hat, sich darum zu kümmern und etwas zu schreiben. Wir hoffen auf eine intensivere Zusammenarbeit und den Dialog mit den Studierenden, mit den Vikar*innen und unbedingt auch mit Pastor*innen im Probedienst. Ohne verschiedene und unterschiedliche Blickwinkel entsteht zu wenig Kreativität. 

Bei den nächsten Wahlen sollte der Vorstand altersgemischt und gendergerecht aufgestellt werden. Hoffentlich können wir in diesem Jahr oder Anfang des nächsten Jahres Wahlen organisieren. Dafür benötigen wir das okay des Registergerichts für unsere erneuerte und überarbeitete Satzung.

Ich will, weil ich von Verbitterung und Überforderung sprach, nicht mit einem vollmundigen Hoffnungssatz enden. Hoffen kann ich auch auf wenig Reales, wie 6 Richtige im Lotto.

Hier sind zwei Zitate von dem Philosophen Byung Chul Han und dem Soziologen Hartmut Rosa.

Ich finde Sie schenken Vertrauen und wie gesagt, wir sind die Hüter des Vertrauens:

Byung Chul Han, Krise der Narration [2]: Die christliche Religion ist eine Metaerzählung, die jeden Winkel des Lebens erfasst und es im Sein verankert. ……. Feste werden in der postnarrativen Zeit zu Events und Spektakeln kommerzialisiert. Auch Rituale sind narrative Praktiken. Sie sind immer in einen Erzählkontext eingebettet. Als symbolische Techniken der Einhausung verwandeln sie das In-der-Welt-Sein in ein Zu-Hause-Sein.

Und der Soziologe Hartmut Rosa, Demokratie braucht Religion [3]: Religion hat die Kraft, sie hat einen Ideenreservoir und ein rituelles Arsenal voller entsprechender Lieder, entsprechender Gesten, entsprechender Räume, entsprechender Traditionen und entsprechender Praktiken, die einen Sinn dafür öffnen, was es heißt, sich anrufen zu lassen, sich transformieren zu lassen, in Resonanz zu stehen. 

Wenn die Gesellschaft das verliert, wenn sie diese Form der Beziehungsmöglichkeit vergisst, dann ist sie endgültig erledigt. Und deshalb kann die Antwort auf die Frage, ob die heutige Gesellschaft noch der Kirche oder der Religion bedarf, nur lauten: Ja!

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Danke für die Geduld. 

Herbert Jeute

  1. Niklas Luhmann, Vertrauen, 4.Aufl. Stuttgart,  S. 126 und S. 35f ↩︎
  2. Byung Chul Han, Krise der Narration, 2.Aufl. Berlin 2023, S. 10f ↩︎
  3. Hartmut Rosa, Demokratie braucht Religion, München 2022, S. 74f ↩︎

Foto: KI / ChatGPT – Thomas Hoffmann

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