Erfahrungsaustausch der Nord-Vorstände

„Nordschiene“ traf sich in Hamburg

Traditionell treffen sich zwischen Rosenmontag und Aschermittwoch die Vorstände der Norddeutschen Pfarrvereine und Pfarrvertretungen zu einem Erfahrungsaustausch. Ziel ist es, die Entwicklung der Rahmenbedingungen für Pastorinnen und Pastoren in ihren Kirchen nicht auseinanderdriften zu lassen. Ort war diesmal das St. Ansgar-Haus, eine katholische Tagungsstätte in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs. Eingeladen hatte der Verein der Pastorinnen und Pastoren in Nordelbien. Bild 1

Aus den Berichten:

Braunschweig
Es gibt Schulungen in Prävention gegen sex. Übergriffe, der Verein diskutiert aber auch, ob und wie weit man Beschuldigten Vertretungsschutz geben muss. Der Verein, der einige Jahre vor sich hin dümpelte und auch in der Norsdscheine nicht mehr auftauchte, hat neuen Schwung genommen. Der Vorsitzede ist zugleich auch Vorsitzender der Pfarrvertretung. Es gibt 1/4 Stelle als Freistellung. In den „Zukunftprozess“ der LK ist der Verein gut eingebunden. Auch hier sind die „Multiprofessionellen Tems“ ein Thema. Die Zahlen der 240 Pastorinnen und Pastoren geht rasant herunter. Auch in Braunschweig geht man – wie in Hannover- auf das westfälische Terminstundenmodell zu. Die Pfarrstellenbemessung errechnet sich zu 60% aus der Zahl der Gemeindeglieder, zu 40% aus der Fläche. Konnte man vorher fünf Jahre vor dem Ruhestand aus der Dienstwohnung ausziehen, so ist die Zahl auf ein Jahr verkürzt worden.

Bremen
Die bremische Kirche ist von einer weitgehenden Eigenständigkeit ihrer Gemeinde geprägt. Die versucht die Zentrale abzubauen, ist aber zunächst mit einer entsprechenden Verfassungsänderung in der Synode gescheitert. Der Verein bemüht sich um eine Höchstwochenstundenzahl von 40 ( bisher 56). Gleich der Mitgliederzahl ihrer Kirche verzeichnet auch der Verein einen Mitgliederschwund, hat mit seinen 115 Mitgliedern aber noch eine hohe Quote. Neuerdings gibt es ein erfreuliches Engagement des Nachwuchses im Verein.
Nach wie vor stellt der „Fall Olaf Latzel“, Pastor der St.-Martini-Gemeinde, ein Problem für die Bremische Kirche dar. Solange sein Verfahren noch in der staatlichen Gerichtsbarkeit schwebt, kann es zu keinem Disziplinarverfahren in der Kirche kommen. Latzel erfährt Einladungen von AfD nahen Gruppen.
In Fällen sexueller Übergriffe hat man in Bremen bereits seit 10 Jahren ein Präventionskonzept, bis Jahresende soll nun jede der 50 Gemeinden auch ein eigenes erarbeiten. Bild 2

EKBO Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
Es gibt seit einiger Zeit eine aus 10 Personen frei gewählte Pastorenvertretung. Vorher hatte der Verein die Vertretung übernommen. Es gibt person. Überschneidungen und ein gutes Miteinander. Noch „übt“ die Landeskirche, was denn die Befugnisse einer Pfarrvertretung ausmacht. Für die Pfarrvertretung gibt es eine Freistellung von 50% einer Stelle. Zur Zeit setzen die Pfarrvertretung und Verein dafür ein, dass es – wie für fast alle anderen Berufsgruppen- auch für Pastorinnen und Pastoren einen „Inflationsausgleich“ gibt. Es gibt Aussichten, auf 95% der Bundesbesoldung aufgestockt zu werden, der Verein strebt aber die 100% Übernahme an. Das Gehalt hängt noch, wie nur noch in wenigen Landeskirchen, bei A13 fest. In der Theorie sehen die Dienstbeschreibungen die 40 Stunden Woche vor. Pfarrstellen werden für 10 Jahre vergeben, mit allen Vor– und Nachteilen, dann kommt der Möbelwagen. Diese Regelung wird zunehmend für strukturelle Bereinigungen genutzt. Auch um die Vikare und ihre Stellenzuweisung kümmert sich der Verein. Er macht sich für ein „Landmodul“ stark, das Vikare für 3 – 4– Wochen in ländliche Regionen zum „Schnuppern“ schickt, um die Akzeptanz ländlicher Regionen zu steigern. Bei 940 Pastoriunnen und Passtoren der EKBO hat der Verein 340 Mitglieder ( einschl. Ruheständler). Bild 2

Hannover
Der Verein erfreut sich stabiler Mitgliederzahlen. Nach Jahren wurden die Mitgliederbeiträge leicht erhöht. Da Hannover eine große Flächenkirche ist, hat es der Verein schwer, sich bis in jeden Kirchenkreis Gehör zu verschaffen. Aktuell wird überlegt, die Satzung so zu überarbeiten, dass ihm das ein Stück leichter gemacht wird. Der Vorstand stellt sich die Frage, ob der Mangel an Nachwuchs für den Pfarrberuf Folge der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung ist oder ob auch kirchliche Besonderheiten und eigene Anteile der Kirchen dazu beitragen. Und, wenn ja, was man für die Attraktivität des Pfarrberufes tun kann. Weitere Themen waren die Einführung des Terminstundenmodells nach westfälischem Beispiel und die Neujustierung des abgebrochenen Zukunftsprozesses in der Landeskirche.
Bericht aus der Pfarrvertretung: In Hannover ist das Terminstunden-Modell in Anlehnung an die Westfälische Landeskirche eingeführt und zwar auf der Basis einer durchschnittlichen 40 Wochenstundenzahl (inklusive Fahrtzeiten). Die Pfv. hat einen Leitfaden zum Umgang mit Konflikten, besonders hinsichtlich der Anwendung von § 79-80 PfDG.EKD, das sogenannte „Nichtgedeihlichkeitsverfahren“, entwickelt. Ziel ist eine Handreichung, die die oftmals desaströse Anwendung von § 79-80 einhegen soll. Da die Mitwirkungsrechte der Pfarrvertretung, z.Zt. nur unbefriedigend sind, soll versucht werden, sie an das Personalvertretungsgesetz anzugleichen, damit eine Beteiligung hergestellt werden kann, die eine moderne Pfarrvertretung verdient.

Nordkirche
Mccklenburg

Hier setzt man schon seit einiger Zeit auf Mulktiprofessionelle Teams. Die Verwaltung der Kirchengemeinden wird verstärkt. Die Ausdünnung in der Fläche ist dramatisch. Eine flächendeckende pastorale Versorgung gibt es faktisch nicht mehr. Bei Konflikten gibt es angeordnete Supervisionen. Dass deren Inhalt an die Superintendenten weitergegeben wird, versucht der Verein abzuwenden.
Pommern
Es wird eng mit der pfarramtlichen Betreuung der Gemeinden, auch durch Gemeindepädagogen und Kantoren. Die Verwaltung dagegen wird personell aufgestockt. Durch die Belastungen der Pastorinnen und Pastoren gibt es zunehmend Eskalationen und Fälle von Burnout. Tortz dieser Lage wurden nicht alle Vikare übernommen, dabei ist der Nachwuchs gering und bis 2032 gehen 30% der P. in den Ruhestand. Der Verein lädt Probedienstler ein, um ihre Erfahrungen zu hören. In der Pommerschen Kirche kann man relativ frei den Pfarrberuf gestalten, da man weit weg von den nächsten kirchlichen Strukturen ist. Die an Landbesitz reiche Pommersche Kirche ist in der Nordkirche ein Stück ärmer geworden. Auch in Pommernr führt die politische Lage zu Spaltungen in den Gemeinden.

Nordelbien
Es gibt in der Nordkirche die Überlegung, die öffentlich-rechtliche Aufstellung so zu verändern, dass nicht mehr die Kirchengemeinden, sondern nur noch die LK Körperschaft öffentlichen Rechts wird. Die Gemeinden werden dann zu Filialen der Zentrale. Der Pfarrverein sieht darin eine Abkehr vom lutherischen Selbstverständnis.
Sorge mache man sich auch (weil weniger neue P. nachkommen) über die Zukunft der Altersversorgung. Der Verein unterstützt Viakarinnen und Vikare bei den Jahrgangsfahrten mit p.P. 200 €. Aktuell sucht er nach einer Nachfolge in der Öffentlichkeitsarbeit, besonders für die Herausgabe des Mitteilungsblatts.
Bild 3

Nordwest-Reformiert
Bei seinen ca 75 Mitgliedern hat der Verein Probleme, einen Vorstand zu bilden. Die LK, so berichtete es die Presse, habe als einzige umgehend ihre Personalakten (nur der beamteten P., nicht der angestellten) zur Untersuchung sex. Übergriffe zur Verfügung gestellt. Das stößt nicht nur auf Zustimmung. Viele P. fühlen sich unter Generalverdacht gestellt und fragen, ob ihre Schutzrechte (Datenschutz usw.) eingehalten wurden. Die Residenzpflicht ist faktisch aufgehoben.

Oldenburg
Mit 220 ist die Mitgliederzahl des Vereins relativ stabil, die Angebote des Vereins werden aber nur schleppend wahrgenommen. Der Vorstand des Vereins selbst arbeitet an seiner Verjüngung. Die Pfarrvertretung findet, trotz einer gewissen Freistellung, seit 2 ½ Jahren keine/n der/ die den Vorsitz übernehmen möchte.
Probleme gibt es vor Ort mit den Verwaltungen, die noch immer nicht effektiv aufgestellt sind. Bis 2030 wird man nur noch mit 70 P. sein, die LK ging ursprünglich von 140 aus. Die flächendeckende Versorgung versucht man dadurch aufrecht zu erhalten, dass nach Kurzkursen auch andere taufen und dasd Abendmahl austeilen dürfen.

Diesen Artikel bitte zu Beginn des Nordschiene-Berichts in einen Kasten setzen. Das Foto von L. Bednarz schicke ich im Anhang
Vortrag von Dr. Liane Bednarz
Die Angstprediger: Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern Bild 7

Zu einem Vortrag über ihre Buchveröffentlichung „Die Angstprediger: Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern“ hatte der Pfarrverein Nordelbieen Dr. Liane Bednarz zum Nordchiene Treffen eingeladen. Liane Bednarz ist Jahrgang 1974. Die Juristin und Publizistin wurde für zahlreiche Veröffentlichungen in der Tagespost, im Tagesspiegel, in Christ & Welt/DIE ZEIT, im European und auf den Autoren-Blogs „Starke Meinungen“ und „CARTA“. 2014 mit dem Feuilletonpreis Goldener Maulwurf ausgezeichnet.

An diesem Abend öffnete sie manchem die Augen, wie rechtsradikales Denken sich auch in die Kirchen einzuschleichen versucht.
Anschaulich beschrieb sie, wie Teile der evangelischen, evangelikalen und katholischen Christen seit Jahren rechtes Gedankengut annehmen und verbreiten. Diese Art von Fundamentalismus nutzt das bürgerliche Vertrauen in die christliche Religion und ihre Kirchen, um die bürgerliche Mitte mit rechten Ideen zu infiltrieren und einen Kreuzzug gegen Pluralismus und Toleranz zu führen.
Rechte Christen sind seit Jahren auf dem Vormarsch. Sie sind in den Volkskirchen und in evangelikalen Gruppierungen zu Hause, sie haben ein klares Feindbild und meinen, damit das christliche Abendland zu schützen. Rechte Christen kämpfen gegen die angebliche Islamisierung, gegen Zuwanderung und Migration, gegen die Ehe für alle, Homosexualität, Gender Mainstreaming, Gleichberechtigung und Abtreibung, ein zeitgemäßes Familienbild und zu liberale Haltungen in den großen Kirchen.
Die Verbindungen zur rechten populistischen Szene sind zum Teil fließend; die Angstprediger zeigen bisweilen offene Sympathie für Pegida, die AfD und die vom Verfassungsschutz beobachtete Identitäre Bewegung.
In ihrem Debattenbuch, dessen Kernthesen sie vorstellte, deckte Liane Bednarz die Netzwerke der rechten Christen auf, beschrieb ihre Feindbilder, Überzeugungen und Aktionsformen und warnte vor den gesellschaftlichen Konsequenzen dieser Instrumentalisierung von Religion.

Gespräch mit der stellv. EKD-Vorsitzenden Bischöfin Kirsten Fehrs
Da man schon im Vorfeld geahnt hatte, dass das Hauptthema bei dem Zusammentreffen mit der Hamburger Bischöfin die „ForumM“ Studie über Missbrauch in der evangelischen Kirche sein würde, hatten sich die Teilnehmer der „Nordschiene“ in Kleingruppen auf dieses Thema vorbereitet. Bild 4
Bischöfin Fehrs betonte, wie wichtig ihr und auch der Kirchenleitung das Gespräch mit Pastorinnen und Pastoren auch über dieses Thema sei.
Von den Teilnehmenden wurde als erstes thematisisert, wie irritiert man vom Umgang der Landeskirchen aber auch der Studie mit den Personalakten sei.
Bischöfin Fehrs berichtete, dass die Personalakten selbst nicht so viele Impulse zur Aufdeckung von Missbrauchsfällen hergeben würden, dass viel wichtiger die Anhörung von Betroffenen sei. Die Presse habe leider die Verfahrensprobleme und die Schwierigkeiten bei der Sichtung der Akten als Unwilligkeit der Landeskirchen ausgelegt, das sei aber nicht der Fall. Die vorhandenen validen Zahlen aber hielten der Kirche doch deutlich den Spiegel vor. Man habe kein Sensorium dafür gehabt, die Opfer zu schützen. Ein weiteres Problem sei, dass viele Betroffene nicht möchten, dass Anzeige erstattet wird. Sie möchte dazu Mut machen. Erst wenn staatsanwaltliche Verfahren abgeschlossen seien, greife das kirchliche Diziplinarrecht.
Neigen wir, als Theologinnen und Theologen, vorschnell zur Vergebung? so die Frage.
Vergebung könne es nur geben, wenn es die Betroffenen selber es wollten, so Fehrs. Wenn andere sie einforderten, halte sie das für „perfide“. Oft ginge es bei den Vorfällen um Mehrfachtäter von denen manche bereits verstorben seien. Gut sei es, dass sich die Sensibilität für Fälle von Missbrauch erhöht habe. Ein Verlust sei, dass das evangelische Pfarrhaus, sonst als Begriff positiv besetzt, jetzt auf einmal auch ein „Tatort“ sein könne. Bild 5
Wer aber schützt Kolleginnen und Kollegen vor unberechtigten Beschuldigungen, so die Frage derer, die sich für die Rechte der von ihnen vertetenen Pastorinnen und Pastoren einsetzen?
Fehrs deutete an, dass man das auch in den Blick nehmen müsse. Die Verfasser der Studie, so ihre leichte Kritik, hätten alle Fälle als gegeben angesehen.
Einer, der die verschiedensten Fälle überblicken konnte, kam zu der Einschätzung, dass seiner Meinung nach 50% aller Fälle auf falschen Beschuldigungen zurückgehen.
Sich für die Seite der Vertretung ihrer Rechte einzusetzen, so Fehrs, sei Aufgabe der Pfarrvertretung.
Das erregte Widerspruch: „Das kann man doch nicht so schnell wegdelegieren“. Sie wurde an das Ordinationsversprechen erinnert, in denen die Landeskirchen zusichern, dass der oder die Ordinierte „in seinen/ihren Rechten geschützt“ sein soll.
Für Fehrs, darüber war sie sich mit den Nordschiene-Teilnehmern einig, führt kein Weg darum herum, dass sich die Kirchen der Aufarbeitung stellen, immer aber auch im Wissen darum, dass es ein sensibler Reaum ist, in dem es auch Falschbeschuldigte geben kann.
Anneus Buisman

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