Eingabe an die Landessynode 2025

Thema: Körperschaftsstatus der bestehenden Kirchengemeinden.

Unsere Kirche steht unter erheblichem Veränderungsdruck. Im Finanzstrategiepapier der Landessynode vom September 2024 werden verschiedene Handlungsoptionen benannt. Mit dem Papier „Christliche Gemeinde im Wandel“ sind weitere Reformvorschläge formuliert worden. Auch EKD-weit wird intensiv nach neuen Strukturen gesucht.

Ein besonders weitreichender Reformansatz besteht darin, den Kirchengemeinden vor Ort den Körperschaftsstatus öffentlichen Rechts zu entziehen. Ein entsprechender Prüfauftrag wurde per Mehrheitsbeschluss von der Synode des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg an die Landessynode gerichtet.

Die Intention scheint vor allem darin zu bestehen, die Kirche auf übergeordneter Ebene handlungsfähiger zu machen, insbesondere in der Gebäudefrage. Ein Durchgriffsrecht von oben würde ermöglichen, Räume zu schließen und Standorte aufzugeben. Auch die Frage nach der ausreichenden Zahl an Theologiestudierenden wird als Argument ins Feld geführt: Es sei künftig kaum möglich, jeder körperschaftlich verfassten Gemeinde eine pastorale Betreuung zu sichern. So eröffnet der Vorschlag die Option, Gemeinden auch gegen ihren Willen zusammenzulegen oder aufzulösen.

Votum der Unterzeichnenden

Wir Unterzeichnenden erkennen an, dass Reformen angesichts der finanziellen und personellen Lage wie auch im Blick auf den Gebäudebestand notwendig sind. Doch halten wir die Aufhebung des Körperschaftsstatus der Kirchengemeinden für einen grundlegenden Irrweg – aus folgenden Gründen:

1. Ortsnahe Selbstverantwortung fördert Engagement

Die körperschaftlich verfasste, ortsbezogene Kirchengemeinde ist seit jeher der Auslöser für kirchliches wie auch bürgerschaftliches Engagement. Menschen erfahren dort Selbstwirksamkeit, weil sie über Räume, Finanzen und Projekte eigenständig entscheiden können. Diese Kombination von Selbststeuerung vor Ort und kirchlichem Aufsichtsrecht ist in vielfacher Hinsicht eine Erfolgsgeschichte unserer Kirche und ihrer Vorgängerkirchen. Wir glauben nicht, dass der Kirchenkreisrat oder vergleichbare Leitungsgremien die Vielzahl an Aufgaben übernehmen können, die heute von vielen Ehrenamtlichen an zahlreichen Orten geleistet werden.

2. Nähe zum Sozialraum sichert gesellschaftliche Relevanz.

Die körperschaftlich verfasste, ortsbezogene Kirchengemeinde steht mitten im lokalen Leben und kann Entwicklungen unmittelbar aufgreifen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts hat sie Gewicht und Stimme im gesellschaftlichen Diskurs – mehr, als es ein bloßer Ortsausschuss je hätte. So wird die Relevanz der Kirche für jede und jeden vor Ort konkret erfahrbar. Wir glauben nicht, dass eine Reform der Kirche Erfolg haben kann, ohne die Menschen vor Ort mitzunehmen und bewährte gewachsene Strukturen zu erhalten.

3. Ortsgemeinde bewahrt Geschichte und Identität

Die körperschaftlich verfassten, ortsbezogenen Kirchengemeinden sind Träger lokaler Tradition, Erinnerung und Erfahrung. Sie ist oft ein bedeutender Teil der Geschichte des Ortes und der Familien, prägend und geprägt durch die dort Lebenden. Werden sie durch großräumige Strukturen an den Rand gedrängt, verarmt nicht nur die kirchliche Überlieferung und Vielfalt, sondern auch die gesellschaftliche Bedeutung der Kirche.Wir glauben nicht, dass eine zentrale Leitung die Vielfalt unserer Kirche – spirituell, theologisch, diakonisch und in ihrer gesellschaftlichen Relevanz – stärken wird.

4. Kleinere Einheiten reagieren flexibler auf Krisen.

Die körperschaftlich verfassten, ortsbezogenen Kirchengemeinden haben vielfach bewiesen, dass sie mit Schwierigkeiten kreativer umgehen können als große Verbände – sei es durch Kirchbauvereine, lokale Stiftungen oder Spendenaktionen. Angesichts des Pfarrermangels gilt es gerade, das Priestertum aller Gläubigen neu zu entdecken. Dadurch eröffnen sich vielfältige Wege, die Feier von Wort und Sakrament lebendig zu halten (z.B. durch Prädikant:innen, Lektor:innen, Andachtsgruppen und deren Netzwerke vor Ort). Wir glauben nicht, dass größere zentralisierte Einheiten und Strukturen besser auf die Probleme reagieren als die Engagierten vor Ort.

5. Ortsgemeinde ist reformatorisch.

Die körperschaftlich verfasste Kirchengemeinde ist Frucht reformatorischer Freiheit. Denn die „Freiheit eines Christenmenschen“ umfasst auch das Recht, darüber zu urteilen, ob das Wort recht verkündet und die Sakramente recht verwaltet werden. Dazu braucht es eine konkrete Gemeinde als Gegenüber und in Beziehung zur Pfarrperson. 500 Jahre nach den Bauernkriegen, in denen sich Menschen das Mitspracherecht bei der Wahl ihrer Pfarrperson erkämpften, wäre es ein merkwürdiges Signal, dieses Recht den Gemeinden wieder zu entziehen.

Wir glauben nicht, dass die Beziehung von Pfarrperson und Ortsgemeinde verzichtbar ist. Zur Verkündigung des Evangeliums gehört wesentlich die regelmäßige Einladung zur Feier von Wort und Sakrament in der Gemeinschaft der Ortsgemeinde.

Schlussfolgerung

Die Aufhebung des Körperschaftsstatus für die Kirchengemeinden am Ort bremst die Möglichkeiten für Engagierte aus, Kirche zu gestalten. Dadurch droht Entmündigung, Enteignung und Entwurzelung – und damit eine Schwächung der Kirche selbst.

Forderung

Wir fordern die Landessynode deshalb auf, den Status der Körperschaft öffentlichen Rechts der Ortsgemeinden zu erhalten und Gemeinden die Freiheit zu bewahren, ihre Zukunft selbst zu gestalten.

Bild von Rafael Rodríguez Ortiz auf Pixabay

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