
Reinhard Bingener/Markus Wehner: Die Moskau Connection. Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit, München 2023, 300 S.
Der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen haben die erhebliche Abhängigkeit von russischen Energieträgern offengelegt. Der evangelische Theologe Reinhard Bingener und der Osteuropahistoriker Markus Wehner, beide Korrespondenten der FAZ, sind in der vorliegenden Studie der Frage nach den Ursachen dieser Politik nachgegangen. Die Probleme einer solchen Abhängigkeit sind zwar in der Presse „klar und frühzeitig“ (9) benannt worden. Das hinderte aber im Wesentlichen ein Netzwerk von Altkanzler G. Schröder, bestehend aus führenden Sozialdemokraten, Managern, Unternehmern, ausländischen Politikern und „Personen dubioser Vergangenheit“(8), unter ihnen auch frühere Stasi-Offiziere, nicht, auch aus persönlich wirtschaftlichen Gründen voll auf die Karte von Putin-Russland zu setzen.
In sechs Kapiteln beschreiben die Autoren diesen Weg. Das erste hat den politischen Aufstieg Gerhard Schröders, seine Ideenwelt und die Entstehung seines Netzwerkes, der sogenannten Hannover-Connection zum Inhalt. Im zweiten wird die Entwicklung von Putins Herrschaftssystems, wobei „Gas und Gewalt“ eine „zentrale Bedeutung“ haben (9) dargestellt.
Das dritte Kapitel befasst sich mit dem sozialdemokratischen Entspannungsmythos, der zu einer gravierenden Fehleinschätzung der Ostpolitik und dann zu einer Energieabhängigkeit geführt hat (Kapitel 4) Der Abschnitt „Illusion einer Partnerschaft“ beschäftigt sich mit der Rußlandpolitik zwischen 1998 bis 2013, wobei die Verstrickung auch anderer Politiker und Parteien, die nicht die heraufziehende politische Gefahr erkannt haben (u.a. Steinmeier, Glos, Merkel, Vosgerau, Platzeck, Momper)) und wie etwa die Journalistin Krone-Schmalz die Kreml-Politik „jahrelang verharmlost“ (160) haben. Vertieft wird diese Darstellung in Kapitel 6 (Toxische Beziehung), die die Russlandpolitik von 2013 bis 2021 bis hin zur Problematik von Nordstream 2 in den Blick nimmt. Zwar wird durch Merkel eine Sanktionspolitik nach der Annexion der Krim eingeleitet, aber nur „unzureichend überwacht.“ (191), zumal in der Amtszeit des Wirtschaftsministers Gabriel „die Abhängigkeit von russischem Gas eine Schlüsselstellung“ einnimmt.(193) und auch Merkel Nordstream 2 befürwortet und sich nicht zu entschiedeneren Reaktion entschließen kann. Damit jedoch hat man dem Kreml falsche politische Signale gesandt und insofern „trägt Schröders Moskau-Connection eine bleibende Verantwortung“ (285) auch für den Ukrainekrieg.
Vor uns liegt eine gut recherchierte Studie, die einmal mehr auf eine der größten Fehleinschätzungen deutscher Wirtschafts- und Aussenpolitik hinweist und die politisch Verantwortlichen zu einem weniger ideologiebestimmten Handeln auffordert. Ein bescheidenes Literaturverzeichnis, in dem zB Chaterine Belton’s „Putins Netz“ fehlt und Seiten mit Fussnoten, wobei der Leser an der einen oder anderen Stelle im Text weitere Quellenhinweise gewünscht hätte, beschließt dieses gut zu lesende und überaus informative und lesenswerte Buch.
Dr. Hans-Joachim Ramm